• Beitrags-Autor:
  • Lesedauer:12 min Lesezeit

Mit Justus in der Ursuppe – Schwimmen lernen

„Und was passierte da, also in der Ursuppe?“ fragte unser Großer.

„Nun, auf der frühen Erde, also vor ca. 4 Milliarden Jahren, da gab es überall Tümpel mit einem Haufen Chemie drin. Das waren alles Reste, die von der Entstehung der Erde auf deren Oberfläche quasi herumgelegen hatten und die dann vom Wasser, als der gigantische Regen einsetzte der die Meere bildete, gelöst und in die Senken gespült wurde.“

„Der gigantische Regen?“ fragte Justus, „was für ein Regen?“

„Ach ja“, antwortete ich, „du musst wissen, dass zunächst das gesamte Wasser der Erde mehr oder weniger in der Atmosphäre gefangen war. Erst als es kühl genug wurde, begann es auszuregnen und das waren Regengüsse, das sage ich dir. Über 100.000 Jahre unaufhörliches Gießen und dazu Gewitter, wie du sie dir in deinen schlimmsten Träumen nicht ausmalen kannst.“

„Wow!“ sagte Justus, „da wäre ich gerne mal dabei gewesen.“

„Das glaubst aber auch nur du, denn schön war es da garantiert nicht. Die Hitze war wie in einer Dauersauna, der Luftdruck unglaublich hoch, im wahrsten Sinne des Wortes erdrückend und Sauerstoff gab es auch keinen in der Atmosphäre. Und die Blitze hätten dich binnen Sekunden zertrümmert. Das war wie ein Hexenkessel, aber genau darum gerade recht um die ersten Biomoleküle zu erzeugen und zu immer komplexeren Strukturen wachsen zu lassen. Irgendwann bildeten sich dann dabei RNS oder DNS Gebilde…“

„Also die ersten Erbmoleküle!“

„Ja richtig, Sohn!“ bestätigte ich, „und so konnten die bis dato eher dummen Moleküle anfangen Information zu speichern. Die Evolution arbeitete zwar nur mit der Methode Versuch und Fehler, aber da sie genug Zeit hatte und nun nicht mehr nur rumprobieren, sondern auch Ergebnisse speichern konnte, ging es voran.“

„Wohin?“ fragte Justus.

„Wie bitte?“

„Wohin ging es voran?“ präzisierte mein Sohn.

„Ach so“, nun hatte ich verstanden, was er meinte, „nun, zu komplexeren Strukturen, die noch besser Information speichern konnten, die sich schützen konnten – die cleveren Moleküle legten sich eine Schutzhülle via einer Lipid-Sphäre zu – oder die Energie erzeugen konnten indem sie vorhandene größere Moleküle aufspalteten…“

„Das waren dann wohl die Vorläufer der späteren Mitochondrien, oder?“

„Ja, Sohn, das ist gut möglich. Andere spezialisierten sich auf die Synthese von Eiweißen und kamen so besser weiter…“

„Sowas wie die Ur-Ribosomen dann also.“

„Korrekt!“

„All diese Strukturen interagierten miteinander und irgendwann schlossen sie sich zu größeren Verbänden zusammen und bildeten eine gemeinsame größere Struktur, die man vielleicht als eine Art modernere Ur-Zelle ansehen könnte.“

„Ok“, sagte Justus, „und von da an ging es stetig weiter bis zu uns, aber was hat das mit den Viren zu tun?“

„Ah ja“, ich kratze mich unwillkürlich und vollkommen unbewusst am Kinn, „das ist jetzt nicht mehr so ganz einfach, aber versuchen wir’s trotzdem. Wir wissen von den Bakterien, dass die auch untereinander Erbinformationen austauschen. Das tun sie auf unterschiedliche Art und Weise, aber eine Technik ist zum Beispiel der Austausch von kleinen DNA-Ringen, die man Plasmide nennt, eine andere die direkte Aufnahme von DNA aus der Umgebung und dann gibt es – so denkt man – noch die Methode des Übertragens von genetischer Information mittels Phagen.“

„Das sind die Viren der Bakterien, richtig Papa?“

„Jawohl mein Sohn!“ lobte ich und fuhr sogleich fort:

„Mag man den Austausch der Plasmiden als eine Art Ur-Form des Sex betrachten… Sex, Junge, du weißt schon…“

„Nö, ich habe keine Ahnung, wovon du gerade redest, Papa“, scherzte mein Großer.

„… so wäre die Aufnahme von DNA aus der Umgebung sowas wie evolutive Neugierde und das mit den Phagen, ja, das ist dann, wenn man das klassische Virenkonzept ansetzt, das Bakterien-Analogon zu den Brutparasiten.“

„Ok?“

„Ja, aber nun ist es so, dass ein gewisser Dr. Lanka herausgefunden hat, dass es manchen Wesen mit ihren Phagen deutlich besser geht als ohne und wie kann das sein, wenn doch die Phagen so böse sein sollen. Die können also nicht per se und nicht unbedingt immer nur böse sein. Vielleicht sind sie manchmal auch wirklich nur ein Vehikel zum Austausch von Erbinformationen unter den einzelnen Bakterien.“

„Viren machen dann also nicht krank?“ frage Justus.

„Offenbar nicht in jedem Fall, d.h., sie scheinen in vielen Fällen regelrecht nützlich und notwendig zu sein, aber dazu müssen wir nochmal zurück in die Ursuppe.“

„Gut“, witzelte Justus, „ich hole dann schon mal die Taucherbrille und den Schnorchel.“

Ich lachte. „Die ersten Koazervate oder Urzellen hatten nämlich das Problem, dass sie in ständiger Gefahr lebten, dass ihre Umgebung von lebensfreundlich auf komplett lebensfeindlich umschaltete. Temperatur oder PH-Wert änderten sich, der Tümpel trocknete aus, das Futter – andere Moleküle, die verdaut, also oxidiert werden konnten – wurden knappt usw. und so fort. Die Lebensformen mussten einen Weg finden über solche Durststrecken drüber zu kommen und das taten sie indem sie Sporen entwickelten. Teilweise schlossen sie sich dabei sogar zu Gemeinschaften zusammen, wo sich einige opferten und den anderen ihre Ressourcen überließen, damit diese Sporen bilden und die Zellart so insgesamt überleben konnte. Die Sporen waren nämlich viel widerstandsfähiger und um die Chancen auf ein Überleben zu erhöhen, bildeten die Zellen Massen an Sporen. Sobald dann die gebildeten Sporen auf günstigere Bedingungen stießen, begannen sie zu keimen und formten wieder die lebenden Zellen, aus denen sie einst hervorgegangen waren.“

„Ganz schön aufwendig!“ bemerkte Justus.

„Ja, aber was glaubst du wie kompliziert unsere Vermehrung ist?“

„Ja, schon allein das Geflirte. Das ist sowas von kompliziert… das kann ich dir sagen, Papa.“

Wir lachten.

„Jedenfalls wäre das Leben ohne die Erfindung solcher kleinen Tricks nie über die ersten Durststrecken hinweggekommen.“

„Und was hat das nun mit den Viren und Krankheiten und so zu tun?“ fragte Justus.

„Nun, zunächst einmal könnte es sein, dass es einige Zellen gelernt haben Sporen zu bilden, die andere Zellen befallen und diese als Substrate nutzen konnten um ihre eigene Linie wieder in Gang zu setzen.“

„Parasiten sozusagen!“

„Opportunisten könnte man vielleicht auch sagen… oder auch Raubzellen. Wir essen schließlich auch andere Zellen und das täglich Milliardenfach.“

„Ja, aber wir brüten unsere Jungen nicht damit aus“, entgegnete Justus.

„Nun, indirekt tun wir das schon, aber es ist auch egal, sollen sich andere Leute den Kopf darüber zerbrechen, wo man so eine Art Brutparasitismus einordnet, wir stellen einfach nur fest, dass es gut sein konnte, dass es gewissen Sporen egal war, ob sie nun in einem neuen Tümpel oder auf einer Kolonie von anderen Bakterien gelandet waren. Sie registrierten einfach nur ‚Hoppla, die Bedingungen sind gut!‘, nahmen von der Umgebung – also auch den Zellen dort – was sie brauchten, töteten dabei vielleicht sogar das Umfeld komplett ab und begannen auszukeimen.

Aus diesem Verhalten kann sich gut und gerne eine ganze Reihe von Strukturen abgekoppelt haben, die nur noch auf diese brutparasitäre Art und Weise überlebte und…“

„Die Viren waren geboren!“ ergänzte Justus.

„Richtig mein Junge!“ Ich nickte ihm anerkennend zu. „Was einmal als Austausch- oder Durststreckenüberwindungsvehikel gedacht war, war eine eigene – nun ja…“, ich machte mit beiden Händen Anführungszeichen in der Luft, „‘Lebensform‘ geworden.“

„Also sind Viren real… wo ist dann das Problem… ich meine, warum finden sie dann nicht das dumme Coronavirus?“

„Weil es das vielleicht gar nicht gibt… jedenfalls nicht so, wie sie sich das denken.“

Mein Sohn schein verwirrt:

„Aber du hast doch gerade ganz logisch erklärt, wie die Viren hätten in diese Welt kommen können, oder? Dann müssen sie auch da sein und machen vielleicht Krankheiten und…“

„Schon, mein Sohn“, unterbrach ich meinen Großen einigermaßen unhöflich, „aber wie du vielleicht gesehen hast, war das nicht die ganze Geschichte.“

Justus sah mich fragend an und ich holte erst einmal tief Luft.

„Die Sporen, die zu Brutparasiten werden und die vielleicht evolutiv Viren bildeten und möglicherweise auch heute noch immer wieder bilden… aus allen möglichen Bakterien oder Zellen könnte sowas hervorgehen… sind eine Möglichkeit von vielen, aber da war noch etwas in der Ursuppe, was wir uns genauer ansehen sollten. Erinnerst du dich?“

„Hmm“, überlegte Justus, „da war der Sex mit den Ring-Dingern…“

„Den Plasmiden!“ ergänzte ich.

„… dann war die pure Neugierde und dann schon deine Sporen-Phagen-Viren-Sache. Mehr gab es nicht!“

Justus sah mich fragend an und fügte nach einer kurzen Pause ein gedehntes „O D E R ?“ hinzu.

Ich lächelte hoffnungsvoll. Wir schienen auf einem guten Weg zu sein. Ich fragte:

„Wenn es den Zellen schlecht ging und sie meinten, dass es Zeit ward den Sporenprozess anzuwerfen, was taten die dann?“

„Nun, sie zündeten den Sporenmotor und machten… ja was wohl… Sporen. Ach nee, Papa, Moment mal… Du hattest ja noch gesagt, dass die sich teilweise zusammentaten und gemeinschaftlich an den Sporen arbeiteten. Einige opferten sich für andere usw., richtig?“

„Richtig mein Junge und was glaubt du, wie habe die es geschafft sich zusammen zu tun?“ fragte ich.

„Na die haben Botenstoffe ausgetauscht, was denn sonst?!“ kam es wie aus der Pistole geschossen.

„Aha!“ sagte ich nur und Justus, der den Kontrapunkt erkannt hatte, begann zu grübeln.

Plötzlich strahlten seine Augen und er rief:

„Du denkst also, dass die Botenstoffe womöglich…“ er machte eine Pause und sah mich aufgeregt an.

Weiter mit Teil 10: https://aktion-nordost.com/auf-dem-weg-zu-wissenschaftlichen-pandemie-modellen-teil-x/

Beginne mit Teil 1:  https://aktion-nordost.com/auf-dem-weg-zu-wissenschaftlichen-pandemie-modellen-teil-i/