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Mir kam vor ein paar Tagen ein nicht uninteressanter Gedankengang. Und zwar ist es offensichtlich, dass die Menschen immer weniger in der Lage sind noch wirklich miteinander zu reden und zu streiten. Sobald es – im schlimmsten Fall politisch, religiös oder wirtschaftlich – einen Disput gibt, wird abgeschaltet, sich nicht mehr zugehört, nicht ausreden gelassen, verallgemeinert, vorschnell in Schubladen sortiert (Wer Maßnahmen kritisiert „leugnet Corona“; wer links ist, ist ein „Gutmensch“; wer keine Windräder in der Landschaft mag, ist „Klimaleugner“; wer der Meinung ist, dass Hilfe vor Ort besser ist als offene Grenzen, ist ein „Nazi“; wer katholischer Priester ist, ist pädophil; wer reich ist, ist ein geiziges Arschloch usw. usf.) und bei besonders geringer Kultiviertheit der beteiligten Personen, angeschrien. Könnte das nicht, neben anderen Einflussfaktoren wie dem Bedürfnis nach moralischer Überlegenheit oder Kritikunfähigkeit auch daran liegen, dass die Aufmerksamkeitsspanne der Menschen immer kürzer wird? Den wenigsten ist das aktiv bewusst, dass z.B. beim Klicken durch Instagram-Storys oder Videos immer wieder kurz die Aufmerksamkeit getriggert wird, aber selten langfristig. Das lässt das Gehirn abstumpfen und es verlangt nach schnelleren, neuen Aufmerksamkeitstriggern, weil es diese gewohnt ist. Auf dem Arbeitsmarkt lässt sich das daran beobachten, dass beispielsweise Praktikanten sich häufig immer weniger Aufgaben merken können. Die Leute sind auch weniger motiviert, mal ein dickeres Buch zu lesen – „Das dauert ja so lange und ist langweilig.“ Ich kenne sehr viele Menschen, bei denen das der Fall ist; Ja, sogar ein Bekannter hatte in der Germanistik wohl einen Kommilitonen, der meinte er sei „nicht so der Lese-Typ“… Das ist nicht einfach so ein Phänomen für sich, was ohne, dass etwas mit irgendwas zu tun hätte, so durch den Raum wabert. Es wirkt sich auch auf unser zwischenmenschliches Verhalten aus. Wo im „Falschen Belgier“ von Drieu la Rochelle noch drei Kommunisten und ein Faschist in der Lage sind, sich zusammenzuraufen um erstmal zu überleben, da hätte heute irgendeine neunmalkluge, kreischende Emilia-Carlotta sich zunächst hingestellt und eine Moralpredigt gehalten und – natürlich – besser gewusst, wie der Andere denkt, als der Andere selbst. Man hätte es nicht entweder gut sein gelassen oder aber sachlich und ruhig miteinander gesprochen, die meisten Leute wären gar nicht in der Lage, jemandem, der nicht ihre Meinung teilt, wirklich zuzuhören und zu verstehen. Das halte ich schon lange für ganz gefährlich in einer Gesellschaft und somit auch das ständige Anschauen von Medien, die immer kurze Aufmerksamkeitstrigger enthalten und das Gehirn abstumpfen. Diese Aufmerksamkeitstrigger erklären auch, warum zuerst das Buch langweilig wurde und das Fernsehen spannender und ein bis zwei Generationen später das lineare Fernsehen langweilig geworden ist und durch noch kurzweiligere und noch „switchbarere“ Formate ersetzt wird.
Das Buch, als ruhigstes Medium – nur das Denken ist ruhiger und dennoch informativ, wenn man es richtig anstellt – ist also auf eine gewisse Art und Weise ein (nicht „der“) Schlüssel zu einer Gesellschaft, die vernünftig miteinander spricht und damit zu Frieden und Freiheit.