Wie konnte […] die linke Weltanschauung zur vorherrschenden Ideologie unserer Zeit werden?
Zumindest für einen Libertären sollte die Antwort offensichtlich sein:
Die egalitäre Doktrin erlangte diesen Status nicht, weil sie wahr ist, sondern weil sie die perfekte intellektuelle Deckung für das Streben nach totalitärer Gesellschaftskontrolle durch eine herrschende Elite bietet. Die herrschende Elite nahm daher die Hilfe der »Intelligenzia«
(oder der »schwatzenden Klasse«) in Anspruch. Sie wurde auf die Gehaltsliste gesetzt oder anderweitig subventioniert und lieferte im Gegenzug die erwünschte egalitäre Botschaft (von der sie weiß, dass sie falsch ist, von der sie jedoch weiß, dass sie für ihre eigenen Beschäftigungsaussichten von enormem Nutzen ist). Und so findet man die enthusiastischsten Befürworter des egalitären Unsinns in der intellektuellen Klasse.
Angesichts der offensichtlichen Unvereinbarkeit von Libertarismus und dem von der Linken bekundeten Egalitarismus muss es daher überraschen – und zeugt es von der immensen ideologischen Macht der herrschenden Eliten und ihrer Hofintellektuellen –, dass viele, die sich heute als Libertäre bezeichnen, Teil der Linken sind und sich als solchebetrachten.
Wie ist so etwas möglich?
Was diese Linkslibertären ideologisch eint, sind ihre aktive Förderung verschiedener »Antidiskriminierungs«-Programme und ihr Eintreten für eine Politik der »freien und nichtdiskriminierenden« Einwanderung.
Diese »Libertären«, so Rothbard, »sind leidenschaftlich davon überzeugt, dass zwar nicht jeder Einzelne jedem anderen ›gleich‹ sein mag, dass aber jede denkbare Gruppe, jede ethnische Gruppe, jede Rasse, Murray Rothbard hat sie aufgelistet: »Akademiker, Meinungsbildner, Journalisten, Schriftsteller, Medieneliten, Sozialarbeiter, Bürokraten, Berater, Psychologen, Personalberater und vor allem für den immer intensiver werdenden neuen Gruppenegalitarismus ein wahres Heer von ›Therapeuten‹ und Sensitivitätstrainern. Und natürlich Ideologen und Forscher, die neue Gruppen erfinden und entdecken, die egalitarisiert werden müssen.«
Was die Frage betrifft, wer unter den heutigen sogenannten Libertären zu den Linken zu zählen ist, so gibt es einen Lackmustest: die während der US-Präsidentschaftsvorwahlen von 2008 und 2012 eingenommene Position zu Dr. Ron Paul, der mit Abstand der reinste aller Libertären ist, der jemals nationale und sogar internationale Aufmerksamkeit und Anerkennung erlangt hat. Libertäre innerhalb des Washingtoner »Beltway« um Cato, George Mason, Reason und verschiedene andere Gruppierungen des »Kochtopus« qualifizierten Ron Paul ab oder griffen ihn sogar wegen seines »Rassismus« und seines Mangels an sozialer »Sensibilität« und »Toleranz« an, d. h., kurz gesagt: weil er ein aufrechter »rechter Bürgerlicher« ist, der ein vorbildliches persönliches und berufliches Leben führt.
Jedes Geschlecht oder in einigen Fällen jede Spezies tatsächlich ›gleich‹ sind und gemacht werden müssen, dass jeder ›Rechte‹ hat, die nicht durch irgendeine Form von›Diskriminierung‹ beschnitten werden dürfen.« Wie aber lässt sich dieser Antidiskriminierungsstandpunkt mit dem Privateigentum in Einklang bringen, das alle Libertären als Eckpfeiler ihrer Philosophie betrachten sollen und das immerhin exklusives Eigentum bedeutet und damit logischerweise Diskriminierung impliziert?
Traditionelle Linke haben dieses Problem natürlich nicht. Sie denken nicht an oder kümmern sich nicht um Privateigentum. Da jeder jedem anderen gleich ist, gehört die Welt und alles auf und in ihr allen gleichermaßen – alles Eigentum ist »Gemeingut« – und als gleichberechtigter Miteigentümer der Welt hat natürlich jeder ein gleiches »Recht auf Zugang« überall und zu allem. Ohne eine perfekte Harmonie aller Interessen ist es jedoch nicht möglich, dass jeder gleiches Eigentum und gleichen Zugang überall und zu allem hat, ohne dasses zu einem dauerhaften Konflikt kommt.
Um diese Zwickmühle zu vermeiden, ist es daher notwendig, einen Staat, d. h. einen territorialen Monopolisten der letztgültigen Entscheidungsfindung, einzusetzen. Das heißt, »Gemeineigentum« bedarf eines Staates und soll »Staatseigentum« werden. Es ist der Staat, der letztlich nicht nur bestimmt, wer was besitzt; und es ist dann auch der Staat, der letztlich die räumliche Verteilung aller Menschen bestimmt: wer wo wohnen soll und sich treffen und Zugang zu wem haben darf – und zum Teufel mit dem Privateigentum. Schließlich sind sie es, die Linken, die den Staat kontrollieren würden.
Ein lebensnaher Libertarismus – Teil 1