Im Dezember letzten Jahres stolperte ich das erste Mal auf Twitter über den Ausdruck des
Familismus. Angesichts der offensichtlichen Anstößigkeit durch die Aufzählung Seit an Seit mit
weiteren Bösartigkeiten wie Christentum, Individualverkehr und weißen Gardinen zeigte ich mich
natürlich interessiert und erwarb noch am selben Abend das Werk der „Kritik des Familismus –
Theorie und soziale Realität eines ideologischen Gemäldes“ aus dem Schmetterlingsverlag – um
vertieft hineinzulesen und die Logik der modernen Linken zu erkunden. Natürlich gebraucht, denn
als weiße Consumerin, die so privilegiert ist, Ebay zu finden, ist Geiz meine oberste Tugend. Dieser
Schmetterlingsverlag hat sich auf die Fahnen geschrieben, die Theoriefeindlichkeit im eigenen,
neulinken Lager bekämpfen zu wollen. Was an sich eine löbliche Intention darstellt. Schließlich
wäre eine Debatte, die über emotionalisierte, marginale Anschuldigungen hinaus geht durchaus
erstrebenswert. Dementsprechend ist dieses erste Ergebnis der Suche nach Sinn und Logik in der
modernen Linken eine Analyse und Antwort.

Eingeleitet wird die „Kritik des Familismus“ von Frau Notz mit Klarstellungen darüber, dass es
nicht DIE Familie heute genauso wenig gäbe, wie es sie jemals gegeben habe. Sie sei „ein soziales
Konstrukt, das in patriarchalen Gesellschaften zur idealen Zusammenlebensform stilisiert wird.“ 1
Dementsprechend stellt die „Ideologie“ des Familismus sich so dar, dass ein Zusammenhang
zwischen Individuum, Familie und Nation besteht. „Das System der Familien bildet das
Gemeinwesen 2 . Das Gemeinwesen ist nach der Ideologie des Familismus auf den Nationalstaat
bezogen. … (Es) herrschen komplementäre Rollenaufteilungen. Menschen ohne Familie gibt es
in familistischen Gesellschaften nicht.“ 3
Im folgenden wird die „Familie als Dreh- und Angelpunkt aller sozialen Organisation“ 4 in
vermeintlich familistischen Gesellschaften wie der BRD kritisiert, die Behauptung aufgestellt,
freundschaftliche Beziehungen und ähnliche würden ignoriert, sowie die Exklusivität der Familie
angegriffen. 5 „Sie unterstützt den Rückzug ins „Private“.“ 6 Was Frau Notz mit dem „Privaten“
meint, was sie dazu veranlasst, es in Anführungszeichen zu setzen, was impliziert, das Private sei
womöglich ein soziales Konstrukt (?) und was sie – abgesehen von vermeintlicher Exklusivität
(wie kann etwas exklusiv sein, das jeder hat?) – gegen das Private einzuwenden hat, bleibt
zunächst unklar, ihren Gegenvorschlag eröffnet sie uns jedoch später im Text.
Kritisiert werden weiterhin die vermeintliche Normativität der Erziehung in normal
zusammengesetzten Familien, obwohl niemand Einfluss auf das Umfeld habe, in das er hinein
geboren wird 7 und, dass Familie als „normale Lebensform“ angesehen wird, trotz sinkender Zahl
an Eheschließungen und Geburtenraten 8 – wobei letztere sowie steigende Scheidungszahlen und
„Verwahrlosung der Sexualität“ gerade als Folge des neuen Geschlechterkampfes auftreten und
nicht als ihre Ursache. 9
Den Punkt dessen, dass niemand die Ausgangsposition seines Lebens beeinflussen kann, kann
man – trotz dessen, dass es sinnvoller wäre sein Schicksal anzunehmen als nur über die von
anderen beschaffenen Bedingungen zu nörgeln – jedoch getrost stehen lassen – löst er sich doch
selbst auf, vor dem biologischen Hintergrund, dass jedes menschliche Leben aus der
Zusammenkunft von Mann und Frau entsteht und es sich somit bei der natürlichen
Familienkonstellation nicht um eine Norm handelt, sondern ein biologisches Gesetz. Die
Erziehung in eben dieser wird an dem Punkt zur Normalität – nicht Normativität – wo Mann
und Frau sich ihrer Verantwortung bewusst sind.
Familie ist defacto erstens die „kleinste, im Vollsinn organische soziale Einheit (…), die (…)
notwendig stabil sein muss, um die Aufzucht der Kinder, aber auch die Pflege der Alten und
Kranken zu gewährleisten. Zum zweiten erscheint die Familie als Kern der religiösen wie der
politischen Ordnung. (…).“ 10 Unter dieser Betrachtung erweist sich der Einwand der
„Ausbeutung“ und „Diskriminierung“, wenn Frauen daheim Haus-, Erziehungs- und
Sorgearbeiten übernehmen – was nicht bedeutet „an den Herd gekettet“ zu werden, sondern Zeit
für die Kinder haben – und dafür vermeintlich nicht bezahlt würden 11 als rein materialistisch, wird
die vermeintliche Unterdrückung der Frauen doch gekrönt durch diverse Widersprüche:
1. Zu Zeiten als „Familie“ das „Ganze Haus“ samt Angestellten wie Mägden, Knechten u.ä.
bezeichnete (wobei diese Form bereits 1855 von Wilhelm Heinrich Riehl als verfallend
beschrieben wurde), seien die Tätigkeitsbereiche der Frauen nicht auf hauswirtschaftliche
Arbeiten begrenzt gewesen. Hier wird zuerst der Eindruck vermittelt, Frauen seien schon
immer in allen Teilen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen Lebens dabei gewesen – um im
nächsten Atemzug bzw. eine halbe Seite weiter unten die Frauen wieder als Opfer des
Patriarchats zu inszenieren, da diese sich um gewollte oder ungewollte Kinder sowie Alte
sorgen und den Haushalt machen mussten, während der Mann „hinaus ins feindliche
Leben“ (Friedrich Schiller) strebte.
Im annähernd selben Zeitraum wie die Auflösung des „Ganzen Hauses“ kam die
„doppelte Ausbeutung“ der Frauen des Proletariats, die während oder nach der
industriellen Revolution in Fabriken arbeiteten und sich um die Kinder zu kümmern
hatten und die Abhängigkeit vom Unternehmer, während bürgerliche Frauen beklagen, es
reiche ihnen nicht mehr aus, Hausfrau zu sein. 12 Sie möchten effektiv auch dieser
Doppelbelastung ausgesetzt werden um im Anschluss sich darüber zu beklagen.
2. Dass die tatsächliche Gleichberechtigung auf sich warten ließ, nachdem man die
Drückung der Löhne durch industriearbeitende Frauen und die damit verbundene
„Verelendung der Arbeiterfamilien“ beenden wollte. 13
3. Dass Männer in den Krieg ziehen mussten, denn dadurch, dass viele nicht zurückkehrten,
wären sie ihrer Aufgabe, Frau und Kinder zu schützen nicht nachgekommen. 14 Darüber,
wie die Männer denn sonst Heimat, Frau und Kind hätten schützen sollen, wird sich hier

keine Gedanken gemacht. Jedenfalls geschieht das logischerweise nicht, indem Mann
tatenlos daheim sitzt und das Land überrollen lässt.
Obwohl es gerade im letzten antifamilialistischen Widerspruch die Männer waren, die, wie die
Autorin zugibt, Kriegen zum Opfer fielen, behauptet sie, Familie sei nur ein rein soziales
Konstrukt, das in patriarchalen Gesellschaften erhöht werde, 15 obwohl „der Zusammenhang (…)
im letzten dadurch zu erklären (ist), dass Menschen von Natur aus auf intensive
Kleingruppenbindung angelegt sind und die lange Reifungszeit der Kinder wie die
Schutzbedürftigkeit der Frau für sie Notwendigkeit der Familie sprechen. Vergleichende
Untersuchungen der Völkerkunde kommen zu dem Ergebnis, dass es zwar einen relativ großen
Variantenreichtum gibt, aber keine Kultur ohne eine Sozialform Familie auskommen kann.“ 16
Des weiteren merkt Frau Notz an, dass Familien häufig nicht ausreichend für die Kinder sorgen
könnten, da ihr die Ressourcen fehlen – und es werde „bestenfalls zugegeben, dass durch
neuzeitliche Massenproduktion und Bedarfsgestaltung und die Übernahme vieler Funktionen
durch die öffentlichen Körperschaften eine gewisse Aushöhlung der Familienaufgaben erfolgt sei
und vieles, was früher Haushalt und Familie geleistet haben, heute der Markt und der Staat
übernehmen (zum Beispiel: Kindergarten, Schule, Ausbildung).“ 17 Ersteres mag gerade in der
heutigen Zeit nicht selten der Fall sein und hier hat sie zumindest im Ansatz auch Recht, wo laut
Bertelsmann-Stiftung jedes fünfte Kind an der Armutsgrenze lebt; eine Statistik an Armut an
geistigen Ressourcen gibt es nicht. Die Übernahme diverser erzieherischer Tätigkeit,
Freizeitgestaltung in durch Ganztagesschulen und Co. durch Markt und Staat ist jedoch
offensichtlich mangelhaft, es hat „sich je länger je mehr gezeigt (…), dass Vereinzelung, soziale
Devastation und Verwahrlosung der Jugend ganz wesentlich auf die Beschädigung der Familie
zurückzuführen sind.“ 18 Und eben diesen antifamilialistischen Trend will Frau Notz voran
treiben? Oder glaubt Sie, man könne die Fehler des eigenen politischen Lagers dadurch
Ausbügeln, es auf die Spitze zu treiben?
Scheinbar schon, denn sie meint, in linken, „undogmatischen“ Kommunen könne man sich
davon befreien, zu „konkurrieren, beziehungslos und vereinzelt durch die Welt (zu) laufen“,
obwohl es eben jene linksliberale Politik ist, die die Menschen seit Jahren in Vereinzelung,
Überhöhung von Individuum und Konsum (Konkurrenz) treibt. In den Kommunen sollen
Kindergruppe und Küche eigenständige, vollwertige Arbeitsbereiche sein, „Kinderbetreuung
wird prinzipiell als Arbeitszeit anerkannt“ 19 – an sich eine legitime Forderung, diese Arbeit zu

würdigen – doch geschieht diese Arbeit nicht auf einer selbstverständlichen Ebene, wie sie eine
Mutter verrichtet, die ihre Kinder liebt, sondern auf materieller Bezahlungsebene, die die
Tätigkeiten von Berufung zum Beruf degradiert.
Dass das „selbst gelebte Lebensmuster als „normal“ und allgemein gültig angesehen wird“ 20 , oder
mit Mohler: der Intelligibilitätswahn, der dazu treibt, alles, was man im Kopf hat auf die Welt als
Ganzes zu projizieren 21 „und andere Muster daran gemessen werden“ 22 , obwohl es eben die
moderne Linke ist, die versucht, ihre eigenen Vorstellungen von Kollektiven und LGBT-
Patchwork-„Familien“ zu normalisieren bzw. als natürlich darzustellen (Natur ist toll, wenn sich
homosexuelle Tiere finden lassen, mit denen man die Menschen vergleichen kann und böse
patriarchalisch, wenn es um Survival of the Fittest geht) und sich ganz offensichtlich an der
tatsächlich organisch gewachsenen, tradierten Familie aus Mann, Frau und Kindern misst um den
eigenen Mangel an eben dieser zu kompensieren.
Mohler schrieb: „Die Postulate des Liberalismus sind alle unerfüllbar, weil sie auf einer falschen
Einschätzung des Menschen und einer falschen Sicht der Welt beruhen. Aber nie sind die
Liberalen (Anm. d. Verf.: oder Linken) daran schuld, wenn der Liberalismus nicht verwirklicht
wird – stets findet man einen Sündenbock, dem man das in die Schuhe schieben kann. Sind es
nicht die bösen Konservativen, die Sabotage betreiben, so ist es das Wetter oder die ungünstige
außenpolitische Situation oder irgendwas.“ 23
Genauso verhält es sich mit dem Antifamilismus. Die Verwahrlosung der Jugend, die Perversion
der Sexualität, die Männer wie Frauen mal mehr, mal weniger offensichtlich trifft (und sei es
„nur“ in Form des klassischen Ausgenutztwerdens) ist klar zu erkennen – und doch ist man der
Überzeugung, man müsse dieses Experiment weiter vorantreiben, „protestantisch (…) schwarz-
weißes Entweder-Oder“-Denken zeichnet sich ab: Mann böse, Frau gut; Tradition böse,
„Fortschritt“/Verwerfung des tradierten gut; Kirche und privater, exklusiver Raum böse,
Staat/Kommune gut. Zeichnet sich das Gegenteil ab, wie im Fall des Kindesmissbrauchs – 209
Fälle von Missbrauch durch katholische Priester, knapp 30.000 Fälle durch Erzieher und Lehrer
im Jahr 2019 in Großbritannien 24 – steckt man sich von Linksliberaler Seite die Finger in die
Ohren, kneift die Augen zu und ruft „Lalala“, wo man eben noch die Kirche als Ganze für einige
(wenn auch schlimme) menschliche Fehler an den Pranger stellte und staatliche
Ganztagesbetreuung forderte, statt die eigenen Fehler einzugestehen.

Getoppt wird die „Kritik des Familismus“ durch die feministisch-steile These, Klöster hätten
einen feministischen Rückzugsort dargestellt für frühe Kritikerinnen der patriarchalen Ordnung 25 ,
ohne eine einzige Quellenangabe zu tätigen und obwohl sicherlich keine Nonne feministische
Ansätze verfolgte, denn das hätten sie gar nicht nötig gehabt: In einem Zitat von Flora Tristan
heißt es, Kirche, Gesetz und Gesellschaft würden Frauen, „die Hälfte der Menschheit“
ausschließen 26 , obwohl gerade in der Kirche eine große Ehre der Himmelskönigin, Maria als
Gottesmutter, zukommt, während Männer immer „nur“ maximal die Aufgabe des Stellvertreters
Jesu Christi auf Erden übernehmen können, niemals aber Gott gebären.
Wo da Patriarchat und Familie unterdrückerisch sein sollen? Schleierhaft.

1 G. Notz: Kritik des Familismus – Theorie und soziale Realität eines ideologischen Gemäldes. Stuttgart 2015. S. 13
2 W. Fuchs-Heinritz et. al.: Lexikon der Soziologie. Wiesbaden 2010. S. 200
3 G. Notz: Kritik des Familismus – Theorie und soziale Realität eines ideologischen Gemäldes. Stuttgart 2015. S. 17
4 Ebd.
5 Ebd. S. 8
6 Ebd. S. 17
7 Ebd. S. 9
8 Ebd. S. 11
9 E. Lehnert, K. Weissmann: Staatspolitisches Handbuch Bd. 1. Schnellroda 2009. S. 71
10 E. Lehnert, K. Weissmann: Staatspolitisches Handbuch Bd. 1. Schnellroda 2009. S. 51f.
11 G. Notz: Kritik des Familismus – Theorie und soziale Realität eines ideologischen Gemäldes. Stuttgart 2015. S. 23
12 G. Notz: Kritik des Familismus – Theorie und soziale Realität eines ideologischen Gemäldes. Stuttgart 2015. S. 36f.
13 Ebd. S. 40
14 Ebd. S. 52
15 Ebd. S. 13
16 E. Lehnert, K. Weissmann: Staatspolitisches Handbuch Bd. 1. Schnellroda 2009. S. 51f.
17 G. Notz: Kritik des Familismus – Theorie und soziale Realität eines ideologischen Gemäldes. Stuttgart 2015. S. 21
18 E. Lehnert, K. Weissmann: Staatspolitisches Handbuch Bd. 1. Schnellroda 2009. S. 51f.
19 G. Notz: Kritik des Familismus – Theorie und soziale Realität eines ideologischen Gemäldes. Stuttgart 2015. S. 141
20 Ebd.
21 A. Mohler: Gegen die Liberalen. Schnellroda 2010. S. 13.
22 G. Notz: Kritik des Familismus – Theorie und soziale Realität eines ideologischen Gemäldes. Stuttgart 2015. S. 27
23 A. Mohler: Gegen die Liberalen. Schnellroda 2010. S. 18f.
24
25 G. Notz: Kritik des Familismus – Theorie und soziale Realität eines ideologischen Gemäldes. Stuttgart 2015. S. 53
26 Ebd. S. 63

Literaturverzeichnis

Armin Mohler: Gegen die Liberalen. Verlag Antaios, Schnellroda 2010.
Gisela Notz: Kritik des Familismus – Theorie und soziale Realität eines
ideologischen Gemäldes. Schmetterlingverlag, Stuttgart 2015.
Dr. Erik Lehnert, Karlheinz Weißmann: Staatspolitisches Handbuch Bd. 1 –
Leitbegriffe. Verlag Antaios, Schnellroda 2009.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Hartmut Ebert

    Sehr guter Beitrag Frau Mehrkens,
    Sie haben Frau Notz so richtig auseinander genommen.
    Weiter so. Postulate von solchen Leute wie Frau Notz sind für Menschen mit gesundem Menschenverstand oft schwer zu ertragen. Wir müssen es aber hinnehmen, weil wir dir Meinungsfreiheit hochhalten im Gegensatz zu den Neulinken.

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